Archiv der Kategorie ‘Alles und jedes‘

 
 

Der Lebensphilosoph

Ich bin Lebensphilosoph. Philosophieren war mein Beruf, ist aber auch mein Leben. Ich verstehe Philosophie als permanentes Bemühen, die Wirklichkeiten, in denen wir leben, aufzudecken. Dies erfordert genaue Beobachtung des Menschen sowie Klärung der Schlüsselbegriffe unserer Lebenswelt. Dabei bemühe ich mich, die Denkformen der Klassiker an gegenwärtige Fragestellungen anzuschließen und so die Kluft zwischen Metaphysik und Fachwissenschaften zu schließen.
Ferdinand Fellmann, em. Professor für Philosophie (auf seiner Homepage)

Unnützer Esser

Ja, schade, dass das, was hinter mir liegt, nicht geändert werden kann. Was ich in den vergangenen Jahren begriffen habe, ist, dass die Weisheit hinter mir hergeht und selten voraus. Am Abend kommt sie und sitzt  mit am Tisch als unnützer Esser.

Arno Geiger: Unter der Drachenwand. S. 453

Mit Blockchains das System sprengen

Blockchains sprengen die zentralistisch organisierten Strukturen. Wenn alle Regeln, mit denen das Netzwerk arbeitet, offengelegt sind und jede Transaktion durch eine Vielzahl von Akteuren verifiziert wird, entsteht maximale Transparenz. Es geht also um ein dezentrales Netzwerk. Bei Blockchains wird die Information in Blöcken abgelegt (z.B. eine Finanztransaktion). Jeder neue Block ist mit dem vorhergehenden verbunden und enthält die gesamte Transaktionshistorie. So kann eine Information jederzeit nachvollzogen werden. Tiefer geschaut geht es um ökonomische Anreizmechanismen. D.h. Leute werden dafür bezahlt, etwas richtig zu machen. Das ist eine Umkehr dessen, wie unsere Gesellschaft funktioniert: Wir bestrafen Leute, wenn sie etwas falsch gemacht haben. Aufbruch zum Web 3.0!

die sterne lügen nicht

lieber freund amadeus!

wenn die sterne lügen, das können sie aber nicht – oder? dann steuern wir
dem absoluten SEIN zu. alles, aber wirklich alles gerät aus den fugen.
in einem solchen chaos überlebt nur der liebende. was ist aber das, was
liebe heißt? – etwas von allem: sich nicht gehen lassen, sich beherrschen,
konzentriert auf das sein, was um sich herum passiert. auch mal selbstlos
für die anderen da sein. und warten können. nicht gleich handeln. ins
konzert der lauten töne gleich einstimmen, nein – warten auf den
augenblick, auf den wesentlichen.
wie erkennt man diesen? ich sage, wenn er da ist, dann weiß man es. er ist
aber dann da, wenn man vorher nicht so wild drauf war, sondern geduldig,
mit viel empathie und auch gleichzeitig mit distanz sich eingelassen hat
auf die gegebenheiten, wie sie jetzt hier und da sich anbieten.
arthur schnitzler soll einmal das so ausgedrückt haben:

Bereit sein ist viel; warten können ist mehr. Doch erst den rechten
Augenblick nutzen, das ist alles.

somit lass ich dich jetzt, lieber freund. nütze die zeit, sei bereit.
k.e.

Philosophinnen

Von Ruth Hagengruber herausgegeben (1998) ist “Klassische philosophische Texte von Frauen”. Wunderbar dass es das gibt. – Zitat aus einer Rezension: Die Texte sind Schmuckstücke literarischer Eleganz und ein ebenbürtiges Pendant zu den männlichen Texten, deren Autoren bekannt und in jedem Band zu finden sind. Hier sind es die Philosophinnen, die große Beachtung verdient haben und es wert sind, gelesen zu werden.

Sokratische Einsicht

Das Angebot, das die Philosophie den Menschen zu machen hat, besteht darin, sie zu ermächtigen und ihnen ein bewusstes, informiertes und wohlüberlegtes Stellungnehmen zu ermöglichen. Das aber bedeutet, sie von der Zwangsjacke mitgebrachter und häufig unreflektierter Vorentscheidungen, von den mentalen Zufluchtsstätten der Ideologie und des Hypermoralismus, zu befreien. Die Menschen sollen, wie Hampe auch sagt, «reagieren» können; und dieses Reagieren, dieses Stellungnehmen ist recht verstanden selbst schon ein Agieren. Es setzt die eigene Initiative voraus, es verlangt den Mut und die Kraft, unbedachte Gewohnheiten zu überprüfen und sich der wiederum sokratischen Einsicht zu stellen, dass eine allgemeine Lehre, eine Lehre für jedermann und für alle Fälle, nicht verfügbar ist. Der Negativismus der Sokratik ist eine Desillusionierung, die Desillusionierung eine Befreiung. Sie erst verschafft uns die Möglichkeit, sagt Hampe, uns zu freien Gestaltern unseres eigenen Lebens zu entwickeln.

Ralf Konersmann zu Michael Hampes “Die Lehren der Philosphie” in der NZZ am 30. 4. 2014

Was ist die Zeit?

Die Frage, was die Zeit ist, kann von der Philosophie – trotz eines  Jahrtausende alten subtilen Nachdenkens – nicht (zumindest nicht einheitlich) beantwortet werden.

Das steht in: Gemessene Zeit – gefühlte Zeit: Tendenzen der Beschleunigung, Verlangsamung und subjektiven Zeitempfindens
Herausgegeben von Hartmut Heller, 2006


Carpe diem

Tu ne quaesieris, scire nefas, quem mihi, quem tibi
finem di dederint, Leuconoe, nec Babylonios
temptaris numeros. ut melius, quidquid erit, pati.
seu pluris hiemes seu tribuit Iuppiter ultimam,
quae nunc oppositis debilitat pumicibus mare
Tyrrhenum: sapias, vina liques, et spatio brevi
spem longam reseces. dum loquimur, fugerit invida
aetas: carpe diem quam minimum credula postero.

Horaz: Carpe diem
Hor.c.1,11: An Leuconoe
Quintus Horatius Flaccus geb. 65 v. Chr.
In vielen Gedichten vertrat Horaz die Lehren des Epikureismus.
Übersetzung: Karl Lahmer, Salzburg

Frage nicht, Leuconoe, den Zeitpunkt des Endes, den die Götter für mich, für dich vorgesehen haben, wissen zu wollen, ist Unrecht.
Versuche es auch nicht bei Astrologen und sonstigen Kartenlegern. Besser ist es doch hinzunehmen, was kommt! Ob dir Jupiter noch mehrere Winter an Lebenszeit zuteilt oder diesen als letzten (…)
Benütze deinen Verstand: Kläre den Wein und beschränke weit reichende Visionen auf ein überschaubares Maß. Während wir sprechen, ist die neidische Zeit schon wieder ein Stück weiter. Nütze diesen Tag und vertraue dem folgenden möglichst wenig.