Archiv der Kategorie ‘Der Augenblick‘

 
 

Kleine Tricks

Ich kenne viele kleine Tricks unter Anführungszeichen, wie ich im Alltag zu mehr Achtsamkeit gelangen kann. Ein ganz einfacher ist zum Beispiel, bewusst einen Schritt langsamer zu gehen. Entschleunigen. Nicht automatisch von einer Sache zur nächsten eilen, von einem Ort an den anderen, sondern sich ein kurzes Innehalten erlauben. ”Wenn du es eilig hast, mache einen Umweg”, so eine chinesische Weisheit. Präsenz zu üben, heißt, mir Zeit für mich zu nehmen – und sei es nur für drei tiefe Atemzüge. Bereits das bewusste langsame Aus- und Einatmen kann Wunder bewirken. Das Nervensystem beruhigt sich und damit auch der Geist, die Muskeln entspannen sich und die Stimmung hellt sich auf. Ich kann das noch verstärken, wenn ich mich daran erinnere: ich bin, ich lebe, ich habe einen Körper. Und wenn ich dafür auch noch danken kann, dann bin ich präsent, im Jetzt.
(Anita Natmeßnig Ö1, 3. Nov. 2012)

Ewig leben

Ausgehend von Wittgensteins Satz: “… dann lebt der ewig, der in der Gegenwart lebt” (Tractatus logico-philosophicus, 6.4311), versucht Andreas Luckner (Uni Stuttgart) zu sagen, wie er den “Augenblick” versteht.

Was die … zitierten Philosophen mit dem Wort “Augenblick” bezeichnen, ist kein datierbarer Zeitpunkt; sie sagen also nicht: Jetzt im Moment oder irgendwann anders ist die Ewigkeit, aber zum Beispiel vorhin war sie noch nicht. Denn das wäre ein unsinniger Satz. Was aber wird dann mit “Augenblick” bezeichnet?

Es scheint doch so, dass mit diesem Edelwort die Vorstellung eines Moments in der Zeit verbunden ist, der sich gewisserma?en aus der Kette der Zeit mit ihrer Ordnung des “Früher” und “Später” losrei?t. Ein Moment, in dem “auf einmal” alles da ist, worum es jemandem in seinem jeweiligen Handeln und Denken ging – ein Moment des Sieges, ein Moment der Erkenntnis, ein Moment der Gewissheit im Glauben, ein Moment der Erlösung, ein Moment der Macht … “Augenblick” soll offenbar den Moment bezeichnen, in dem wir sozusagen im Nu aus der Zeit und ihrem Fortgang aussteigen, weil sich in ihm vollendet, was gewesen ist, und erfüllt, was … erwartet wurde. Ein Ereignis also, an dem es kein “nicht mehr” und kein “noch nicht” gibt, eine – so gesehen – absolute, aus dem Zeitzusammenhang herausgelöste Präsenz, eine Gegenwart, die alles “Vor” in sich versammelt und kein “Nach” mehr kennt und damit “ewig” ist.
Aus: der blaue reiter, Ausgabe 31

Gadamer: Der rechte Augenblick

Es gibt zwei CDs: Gespräche mit Hans-Georg Gadamer aus dem Jahre 1989. Auf der ersten erzählt er von seinen “philosophischen Lehrjahren” und seiner Zeit als Hochschullehrer bis zum Jahre 1968. Auf der zweiten CD widmet er sich dem Thema: Der rechte Augenblick. Nach zwei Weltkriegen beschäftigt er sich intensiv mit der menschlichen Urerfahrung von Zeit. Welche Möglichkeiten hat der Mensch, um den rechten Augenblick zu erkennen?  Zur Klärung dieser Frage geht Gadamer in die griechische Mythologie zurück: zu Kairos, dem Gott der günstigen Gelegenheiten. Die Gunst des Augenblicks zu erkennen und zu nutzen sieht Gadamer als zentrale Herausforderung unserer Zeit. Wer diese Fähigkeit besitzt, hat auch die nötige Urteilskraft, um die Gleichgewichtsstörungen der Welt zu erkennen – und sie wieder in die richtige Balance zu bringen. Insofern ist Kairos aktueller denn je.

Sie bekommen die CDs über Amazon.

Ich gehöre dem Augenblick



(c) Irmengard Schöpf
Menschenbilder: ?1~298797

Ein humorvoller Verein

Der VEREIN ZUR VERZ?GERUNG DER ZEIT – ist auch ein künstlerischer und humorvoller Verein!

Künstlerische Zeit-Objekte, humorvolle und auf witzige Weise aufrüttelnde Zeit-Aktionen sind das Gewürz in der interdisziplinären “Zeit-Suppe”, mit dem auch wir im Verein das für viele Menschen scheinbar so trockene Thema würzen. Hier wird oft sinnlich fassbar, was wir sonst mit vielen Worten zu erklären versuchen.
Wir nehmen uns viel ZEIT für den Humor, schlie?lich: Wer keine Zeit hat, hat nichts zu lachen – und zum Genie?en kommt er erst recht nicht!

Wie sagte doch unser Sympathisant Elias Canetti:
“Wenn das Telefon nicht klingelt – ist es für mich!”

> Der Zeitverein

Mathematik und Glück

‘Glück’ heisst beim Mathematiker ‘Varianz’ und ist eine auf Kommazahlen genau berechenbare Grösse. Trotzdem glauben die Menschen an ihr Glück und an ihr Schicksal. Der Mathematiker und Bestsellerautor Rudolf Taschner hat sich viel mit der Frage beschäftigt, warum wir zufällige Ereignisse auf uns persönlich beziehen und dahinter eine schicksalhafte Lenkung vermuten.
(aus einer Sendung am Mo 14. 2. 2011)

l’im-possible

Das Un-Mögliche (l’im-possible), von dem ich häufig rede, ist nicht das Utopische.
Das Un-Mögliche gibt dem Wunsch, der Handlung und der Entscheidung die
Bewegung. Das Un-Mögliche ist die Figur des Wirklichen selbst. Es hat deren
Härte, Nähe und Dringlichkeit. Das Un-Mögliche, wie ich es in zahlreichen
neueren Texten interpretiere, das ist die Dringlichkeit des Augenblicks,
hier und jetzt, in den einzigartigen Situationen.
(Jacques Derrida, in der “Zeit”, 1998)

Eine Rechtfertigung des Zufalls

Odo Marquart schreibt in seinem Büchl: Apologie des Zufällingen:

Einer der schlimmsten Feinde von Freiheit und Würde des Menschen scheint der Zufall zu sein. Indes, ich möchte hier ein gutes Wort einlegen für den Zufall: für das Zufällige.
Spreche ich also gegen Freiheit und Würde des Menschen? Keineswegs.
Ich meine nur: es wäre ein Zeichen mangelnder Freiheit, wenn der Mensch unwürdig über seine Verhältnisse lebte: über die Verhältnisse seiner Endlichkeit. Will er das nicht, so muss er das Zufällige anerkennen.