Augenblick, verweile – schöpferische Dauer
Deshalb wird dieser Dauer-Augenblick auch schöpferisch. Er bringt Neues und Unvorhersehbares hervor. Oft fällt es uns schwer, dies zu verstehen. Wenn mann vom Unbeweglichen ausgeht, kann man sich nichts anderes als eine Mischung aus im Voraus existierenden Elementen vorstellen. “Das musste so kommen”, rufen wir, während im Moment des Ereignisses alles Mögliche hätte eintreten können. Diese Neigung bewirkt “unseren Anspruch, bei jeder Gelegenheit die Zukunft zu antizipieren” (”Denken und schöpferisches Werden”) – die Manie, ausgehend von der Art, wie sich die Vergangenheit aktualisiert hat, vorherzusehen und zu planen. Wenn man aber den gegenwärtigen Augenblick genießt, heißt das, ihn nicht zu begrenzen, sondern sich für die Dauer zu öffnen, für ein Ereignis, das im eigentlichen Sinne neu ist.
Michel Eltchaninoff, in: Philosophie Magazin, 05/2016, S. 57