Anfangs
Ich denke, dass es sinnvoll ist, vorab zu klären, was zur Philosophie gehört und was nicht.
Auch wenn der Begriff “Kairos” von der Psychologie für sich entdeckt wurde, wo die Angst, Entscheidungen zu fällen, als Kairophobie bezeichnet wird, so schlie?t das nicht aus, dass die griechische Mythologie von philosophischem Interesse ist.
Warum sollte die Frage nach dem “rechten Augenblick” nicht eine wichtige Frage der Ethik sein?
Mich würden genauer die Quellen interessieren, in denen “Chronos” und “Kairos” als Gegenspieler erscheinen.
(Aus einem früheren Blog)
15. Mai 2010 um 21:16
‘Unser Leben ist ebenso endlos, wie unser Gesichtsfeld grenzenlos ist.’
(Ludwig Wittgenstein: Tractatus logico-philosophicus, 6.4311)
Wenn ich es recht verstehe, so unterscheidet er hier zwei Begriffe von Ewigkeit. Eine ‘Ewigkeit’ als Unzeitlichkeit findet man z.B. bei Plato. Platons Zwei-Welten Philosophie unterscheidet zwischen dem Endlichen und dem Unendlichen als Zeitlosen. Bei Plato lebt allerdings der nicht ewig, der in der Gegenwart lebt, – so wie sich Wittgenstein ausdrückt – sondern das Leben in der Gegenwart wird zur möglichen Vermittlung für einen Zugang zum Absoluten. (Vgl. Parmenides, Begriff des Augenblicks)
Wittgenstein selbst denkt wohl in Abgrenzung zum Platonismus die Ewigkeit als ‘unendliche Zeitdauer’. Der Satz: “Unser Leben ist ebenso endlos, wie unser Gesichtsfeld grenzenlos ist” erinnert mich ein wenig an Nietzsche und seinem Bild vom ‘Torweg’ im Zarathustra. (Also sprach Zarathustra, Vom Gesicht und Rätsel 2). Der Torweg hat bei Nietzsche einen Namen und hei?t ‘Augenblick’. Folgt man der Geschichte von Friedrich Nietzsche, so hat dieser Torweg zwei Gesichter, denn dort kommen zwei Wege zusammen, die noch niemand zu Ende ging. Es gibt eine lange Gasse zurück, die eine Ewigkeit währt und eine Gasse hinaus, die eine andere Ewigkeit darstellt. Auch bei Nietzsche wird die Ewigkeit als unendliche Zeitdauer gedacht.
Ich vermute einmal, dass es Wittgenstein um eine Abgrenzung zum platonischen Erbe ging. In aller Kürze sind die o.a. Sätze ein Ausdruck für die moderne Zeiterfahrung.
(Denkstachel)